Zu den bedauernswertesten Verlusten architektonischer Natur, die den Verwüstungen des zweiten Weltkriegs in München geschuldet sind, gehört zweifellos das Palais Piosasque de Non. Kurfürst Max III. Joseph schenkte dem Hauptmann der Leibwache und Generalwachtmeister Joseph Graf Piosasque de Non das Grundstück in der äußeren Schwabinger Gasse, der heutigen Theatinerstraße 16, die nun in der Hauptsache von Gebäuden aus den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt ist. Auf diesem sehr tiefen Grundstück wurde von 1726 bis 1732 nach Entwurf von François de Cuvilliés dem Älteren ein Palais mit sieben Fensterachsen zur Straße errichtet. Die Fassade zeigte, wie alte Photographien belegen, ein mit einer flachen Putzrustika versehenes Erdgeschoß mit Segmentbogenfenstern in den Seitenteilen. Im Mittelteil mit zentralem Portal trugen vier Säulen auf Sockeln den Balkon vor dem Mittelsalon des Obergeschosses. Das zentrale Fenster über dem Portal war zu beiden Seiten mit Säulen eingefaßt; ein Motiv, das an den Palazzo Farnese in Rom erinnert. Jedes der beiden Obergeschosse hatte einen eigenen Formenkanon: waren im ersten, mit plastischer, schwerer Ornamentik versehenen Obergeschoß die Seitenteile mit Rundbogenfenstern auf breitem Sockelband versehen und der Mittelteil mit Segmentbogenfenstern, so war es im niedrigeren zweiten Stock mit seinen leichten Rocailledekorationen umgekehrt. Der Mittelteil wurde durch einen mit Doppelwappen versehenen Giebel ähnlich dem des Palais Holnstein abgeschlossen. An der gesamten Fassade ließ sich das Kriegshandwerk des Bauherren in Form diverser Trophäen, besonders in der Portalzone, ablesen.
Eine Photographie von 1891, die unter anderem bei Braunfels wiedergegeben ist, zeigt noch den Originalzustand der Fassade; um 1900 wurde das Erdgeschoß durch den Einbau riesiger Schaufenster vollkommen entstellt.
Der durch eine Bauaufnahme des Jahres 1808 überlieferte, exzellente und an Pariser Vorbildern geschulte Grundriß bedarf einer genaueren Analyse. Von der Straße gelangte man in ein erstes, ovales Vestibül, danach in ein rundes, in dem man die Kutsche verließ. Über einige Stufen betrat man einen achteckigen konkaven Raum mit der Büste des Kurfürsten an der Stirnseite, danach erst - über weitere Stufen - das Treppenhaus, welches in das Obergeschoß führte. Hinter dem Hof des Erdgeschosses befanden sich Stallungen. Das Obergeschoß zeigte zwei repräsentative Räume zur Theatinerstraße sowie drei zum Hof. Über eine Treppe im hinteren, privaten Teil war das zweite Geschoß zu erreichen.
Von den Innenräumen haben sich bedauerlicherweise weder Zeichnungen noch Photographien erhalten.
Braunfels, Wolfgang: François Cuvilliés: der Baumeister der galanten Architektur des Rokoko, München 1986, pp. 103-109